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07/06/2022
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Es geht auch ohne: Warum Sie auf das Bewerbungsfoto verzichten sollten

Ob als kleine, in den Lebenslauf integrierte Variante oder großes Portrait auf dem Deckblatt, das Bewerbungsfoto gehörte in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern lange Zeit zum Standard. Mit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sollte sich dies ändern. Eine Bestandsaufnahme.

Bewerbende vs. Arbeitgeber: Die Meinungen gehen auseinander

Unterschiedlicher könnten die Auffassungen kaum sein: In einer Umfrage der Jobplattform Joblift im November 2021 sprachen sich 37 Prozent der Teilnehmer gegen ein Foto in den Bewerbungsunterlagen aus. Unter den Berufsanfängern waren es sogar 52 Prozent, die die anonymisierte Version der Bewerbung vorziehen.

Die Arbeitgeber sehen die Sache allerdings anders: In einer etwas älteren Umfrage des Staufenbiel Instituts zu den Recruiting-Trends 2017 gaben nur 10 Prozent der Unternehmen an, Bewerbungen ohne Fotos vorzuziehen. 82 Prozent erwarten ein Foto, weil es die Bewerbungsunterlagen erst komplett macht. Fast eines von zehn Unternehmen sagt sogar, dass das Bewerbungsfoto für die Entscheidung ausschlaggebend sein kann. Ein unprofessionelles Foto gilt für 23 Prozent der Arbeitgeber als disqualifizierender Faktor in Bewerbungen.

Es zeigt sich also: Während die Mehrzahl der Bewerber am liebsten ganz auf das Bewerbungsfoto verzichten würde, legen die Arbeitgeber noch immer starken Wert darauf.

Wie gehen andere Länder mit dem Bewerbungsfoto um?

Andere Länder, andere (Bewerbungs)Sitten – während in Deutschland das Foto noch immer einen hohen Stellenwert hat, ist dies nicht überall so. Eine Vorreiterstellung nimmt Kanada ein, wo Bewerbungsfotos sogar verboten sind. Auch Länder wie die USA, Großbritannien, Australien oder Irland haben strenge Antidiskriminierungsgesetze eingeführt. Im Ergebnis fürchten die Arbeitgeber teure Klagen, weshalb Bewerbungsfotos hier nicht gerne gesehen werden.

In den USA sind sogar anonyme Bewerbungen üblich: Die Unterlagen beschränken sich auf die beruflichen Qualifikationen, Weiterbildungen oder den schulischen Werdegang – persönliche Informationen wie das Bewerbungsfoto, der Name, das Geburtsdatum, das Geschlecht oder die Herkunft bleiben komplett außen vor.

Die europäischen Länder halten es hingegen ähnlich wie die Deutschen. Von Frankreich bis Italien, Österreich bis Portugal sind Bewerbungen mit Foto üblich und auch gerne gesehen. Noch weiter gehen China und Japan: Bewerbungen ohne Foto sind hier unerwünscht und haben wenig Chancen.

Bewerbung ohne Foto in Deutschland: der Status-Quo

Als 2006 das Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eingeführt wurde, wurde das Bewerbungsfoto als Standard abgelöst. Was früher ein fester Bestandteil von Bewerbungsunterlagen war, durfte nun plötzlich nicht mehr zur Pflicht gemacht werden. Fordert ein Arbeitgeber seither „Bewerbungsunterlagen mit Lichtbild“, macht er sich nach dem AGG angreifbar und muss mit Schadenersatzklagen von möglicherweise diskriminierten Bewerbern rechnen.

In der Praxis finden die Arbeitgeber aber dennoch Möglichkeiten, ein Bewerbungsfoto einzufordern. Formulierungen wie „die üblichen Bewerbungsunterlagen“ oder „vollständige Unterlagen“ lassen bewusst offen, welche Bestandteile dazugehören. Der Bewerber muss also entweder aktiv nachfragen, welche Bewerbungsunterlagen gewünscht sind – oder er fügt ein Bewerbungsfoto bei, in der Annahme, dass der Arbeitgeber es erwartet.

Beim Umgang mit Bewerbungsfotos lassen sich große Unterschiede bei der Betriebsgröße erkennen. Spätestens seit das Thema Diversity in immer mehr HR- und Unternehmensstrategien Einzug gehalten hat, sprechen sich viele große Unternehmen bewusst gegen das Bewerbungsfoto aus. Hier wird es also oft nicht nur nicht gefordert, sondern ausdrücklich eine Bewerbung ohne Foto vorgeschrieben.

Anders sieht es hingegen in kleineren und mittleren Unternehmen oder Start-ups aus. Hier ist ein Foto nach wie vor gerne gesehen. Dabei liegt der Fokus allerdings weniger auf der Attraktivität oder Schönheit eines Bewerbers oder einer Bewerberin. Vielmehr geht es darum, zu überprüfen, ob der Kandidat zum Team passt und sympathisch wirkt.

Vorteile der Bewerbung ohne Bild

Auf den ersten Blick sind Bewerbungen ohne Bild für Arbeitgeber wenig attraktiv, nehmen sie ihnen doch die Chance, den ersten Eindruck auch optisch bestätigen zu lassen. Andererseits hat sie aber auch Vorteile:

  • Der Arbeitgeber kann verhindern, dass Bewerber aufgrund von Äußerlichkeiten diskriminiert werden und beugt so auch rechtlichen Risiken vor, etwa durch AGG-Klagen.
  • Der Fokus im Recruiting bewegt sich weg von der Optik und hin zur Qualifikation und Leistung von Bewerbern.
  • Der Arbeitgeber findet so Persönlichkeiten, die er möglicherweise nie kennengelernt hätte, weil der Bewerber es durch ein weniger attraktives Bewerbungsfoto vielleicht nicht in die engere Auswahl geschafft hätte. 

Alternativen zum Bewerbungsfoto

Durch aufkeimende Bewerbungstrends rückt die klassische Bewerbung zunehmend in den Hintergrund – und damit auch das Bewerbungsfoto. Manche Bewerber präsentieren sich sogar gerne und freiwillig persönlich, indem sie ein Bewerbungsvideo aufnehmen. Hier gibt es aber einen wesentlichen Unterschied zum statischen Foto: Der Bewerber kann nicht nur sein Aussehen präsentieren, sondern auch sein Auftreten, seinen Charakter und seine Persönlichkeit.

Aber auch andere alternative Bewerbungsformen lenken den Fokus weg vom Bewerbungsfoto und hin zu einer kreativeren Darstellung der eigenen Person, seien es grafisch aufbereitete Bewerbungen oder Guerilla-Bewerbungen.

Respekt für die Bedürfnisse der Bewerber: Hürden reduzieren

Selbst wenn es aber bei der klassischen Bewerbung bleibt: Arbeitgeber tun gut daran, sich an den Bedürfnissen ihrer Bewerber zu orientieren. Wünschen diese sich überwiegend Bewerbungen ohne Foto, sollten sie diesem Wunsch nachkommen und auf die verpflichtende Einsendung eines Lichtbilds verzichten.

Damit können sie vielleicht sogar die Anzahl der Bewerbungen steigern: Indem sie Einstiegshürden abbauen und sich als weltoffener, Diversität lebender Arbeitgeber präsentieren, für den Äußerlichkeiten zweitrangig sind.

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