Ehe die COVID-19-Pandemie den gesamten HR-Bereich auf links drehte (und wieder zurück), verzeichnete die Branche jedes Jahr neue, hippe Trends. Buzzwords wie Künstliche Intelligenz, One-Click-Bewerbung oder Employer-Branding erhitzten die Gemüter. Seit Beginn der Krise ist ein gewisser Prozess des Umdenkens erkennbar. Und dieser zieht einerseits die Rückbesinnung auf die Kernprozesse von HR nach sich, richtet andererseits aber auch den Blick darauf, HR effizienter und digitaler zu gestalten. Doch wie sehen nun die Top HR Trends 2022 aus? Wie zu erwarten, ist es ein Mix aus zwei Welten.
Homeoffice: Zeit für belastbare, hybride Modelle
2020 traf die Notwendigkeit von flächendeckenden Homeoffice-Arbeitsplätzen viele Arbeitgeber wie ein Blitzschlag. Heute haben wir uns mit der Situation arrangiert. Mehr noch: Die Arbeitgeber erkennen die Chancen hybrider Arbeitsmodelle. Der große Produktivitätseinbruch ist ausgeblieben. Dafür sparen sich Arbeitgeber Kosten für Büroflächen und Arbeitsplätze. Auch 2022 reißt die Diskussion über ein künftig möglicherweise verpflichtendes Homeoffice nicht ab.
Aber: Arbeitgeber sind jetzt gefragt, die bestehenden Modelle zu hinterfragen, zu optimieren und fit für die Zukunft zu machen. Es geht nämlich nicht nur darum, Heimarbeitsplätze technisch gesehen einzurichten. Es gilt, die Wünsche der Mitarbeiter bei der Weiterentwicklung flexibler Arbeitszeitmodelle zu berücksichtigen. Arbeitgeber müssen Strukturen schaffen, in denen Remote-Worker und die Mitarbeiter im Büro zusammenarbeiten können.
Employee-Well-being: Präventionsprogramme gewinnen an Bedeutung
Während vor einigen Jahren die betriebliche Gesundheitsförderung noch eher die Kür attraktiver Arbeitgeber war, wird sie nun zunehmend zur Pflicht. Schon seit Langem steigen die psychischen Erkrankungen deutlich an – mit einem drastischen Höhepunkt während der COVID-19-Jahre, wie der Psychreport der DAK-Gesundheit zeigt.
Zu den großen Trendthemen 2022 gehört das Wohlbefinden der Mitarbeiter, auch Employee-Well-being genannt. Gerade jetzt, wo die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben im Homeoffice zunehmend verschwimmen, nehmen stressbedingte Anzeichen wie Konzentrationsstörungen zu. Führungskräfte stehen unter großem Druck und immer mehr erleiden Burn-outs. Dieser Entwicklung gegenzusteuern, kommt als große Herausforderung auf die Arbeitgeber in diesem Jahr zu.
Mitarbeiterbindung: das heiße Eisen im neuen Jahr
An diesem heißen Eisen wird sich so mancher Arbeitgeber die Finger verbrennen. Einer Studie von Qualtrics vom August 2021 zufolge plant durchschnittlich jeder zweite Arbeitnehmer im Management innerhalb eines Jahres einen Jobwechsel. Viele Mitarbeiter haben in den vergangenen zwei Jahren vieles hinterfragt, etwa die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit oder ihre persönlichen Ziele.
Jetzt, wo sich die Wirtschaft wieder erholt, gibt es viel Potenzial für einen Jobwechsel – und es wird den Arbeitnehmern beinahe schon leichtgemacht. Arbeitgeber, die vermeiden wollen, dass ihnen hochqualifiziertes Personal verloren geht, sollten die Mitarbeiterbindung jetzt zur Top-Priorität machen. Hier könnten Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten ebenso eine Rolle spielen wie gute Führungskräfte oder persönliche Gespräche.
Automatisierung der HR-Kernprozesse
In den Trendvoraussagen der vergangenen Jahre führten die HR-Kernaufgaben allenfalls ein Schattendasein. Jetzt rücken sie zurück in den Fokus, zumal sie vor dem Hintergrund stark veränderter Prozesse und hybrider Arbeitsmodelle neu gedacht werden müssen.
2022 wird der Fokus darauf liegen, die HR-Kernprozesse stark zu automatisieren. Dies erleichtert einerseits den Austausch mit Remote-Workern, etwa über digitale Employee-Self-Service-Tools. Andererseits setzt der HR-Bereich so wertvolle Kapazitäten frei, die er in strategisch wichtige Aufgaben investieren kann, etwa das Wohlbefinden der Mitarbeiter oder die Unterstützung der Führungskräfte bei der Führung ihrer hybriden Teams.
Eine große Hilfe werden dabei digitale Tools sein, mit denen sich insbesondere Verwaltungsaufgaben wie die Zeiterfassung, die Gehaltsabrechnung oder die Verwaltung der Personaldaten automatisieren lassen. Ebenso lässt sich im Recruiting viel Zeit sparen, wenn Aufgaben wie die Erfassung und Auswertung von Bewerbungen oder der Schriftverkehr mit den Kandidaten per Software und KI automatisiert werden.
Recruiting: Klasse statt Masse
Apropos Recruiting: Auch hier wird sich einiges verändern – nicht zuletzt aufgrund der Kündigungswelle, die viele Experten erwarten. Lag der Fokus zuletzt darauf, möglichst viele Bewerbungen zu erhalten und mithilfe von Software die besten Kandidaten herauszufiltern, verschiebt er sich nun auf das Auffinden echter Talente und Persönlichkeiten. Klassische Recruiting-Methoden wie Stellenanzeigen werden weiter in den Hintergrund wandern. Eine große Rolle spielen hingegen kreative Ansätze, bei denen der Bewerber als „Kunde“ im Zentrum steht. Das Employer-Branding wird in diesem Kontext zusätzlich an Bedeutung gewinnen.
Veränderte Führungsarbeit: Zeit für Führungskräfteentwicklung
So manche Führungskraft stieß in den vergangenen zwei Jahren an ihre Grenzen. Mitarbeiter aus der Ferne zu führen und den Kontakt zu ihnen zu halten, ohne sie regelmäßig sehen zu können, erfordert ganz andere Strategien und Führungskompetenzen als zuvor. Gleichzeitig sind die Manager die wichtigsten Bindeglieder zwischen der Belegschaft und der Unternehmensmission. Sie sollten die Werte und Unternehmenskultur weitertragen – was jedoch angesichts mangelnder Führungs-Skills in Bezug auf hybride Teams schwierig wird.
Einer der großen HR-Trends 2022 dürfte die Entwicklung der Führungskräfte sein. Denn sie zählen zugleich zu den wichtigsten Faktoren, wenn es um die nachhaltige Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen geht. Sie müssen lernen, welche Rolle sie in modernen, hybriden Teams einnehmen, welche Erwartungen an sie gestellt werden und wie sie sich in schwierigen Situationen richtig verhalten.
Neuer Fokus auf IT-Kompetenzen
Nie zuvor entdeckte man IT-Kompetenzen in Stellenausschreibungen für Personaler. Aber die zunehmende Digitalisierung des HR-Bereichs, die Weiterentwicklung von Homeoffice-Modellen und der wachsende Einsatz von Cloudsoftware lässt die Bedeutung von IT-Know-how auch in der Personalabteilung wachsen. Eine enge Verzahnung von IT und HR ist unerlässlich, wenn Systeme wirklich zum Unternehmen passen sollen. Eine gezielte Strategie hilft, neue Konzepte umzusetzen.
Doch zunächst einmal muss der Fokus auf den IT-Kompetenzen liegen. Sowohl Personaler, die umfangreiche IT-Kenntnisse mitbringen, als auch IT-Spezialisten mit HR-Kenntnissen sind rar. Das Stichwort lautet: Qualifizierung. Und damit beginnen Arbeitgeber besser heute statt morgen. Denn die Wettbewerber schlafen nicht.
Die Zeit für Reaktionen ist jetzt
Die meisten der diesjährigen HR-Trends sind alte Bekannte. Schon in den vergangenen Jahren waren Recruiting, Digitalisierung und New Work wichtige Themen, an denen kein Arbeitgeber vorbeikam. Und doch: Die Qualität wird sich dieses Jahr verändern. Die HR-Trends dienen nicht mehr länger dem reinen Selbstzweck. Sie werden zum Überlebensmechanismus für Arbeitgeber in einer Welt, in der es zunehmend schwieriger wird, qualifiziertes Personal zu finden – und zu halten. Wer jetzt nicht auf den sich längst in Bewegung gesetzten Zug aufspringt, verliert vielleicht schon bald den Anschluss – und seine Top-Mitarbeiter an die Konkurrenz.
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