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07/12/2021
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Weniger Gehalt im Homeoffice?

Aufschrei in den Vereinigten Staaten: Große Unternehmen wie Google oder Facebook nutzen ortsabhängige Lohnmodelle und kürzen damit vielen Angestellten im Homeoffice teilweise drastisch das Gehalt. Welche Hintergründe hat dieses Vorgehen – und wäre ein solches Vorgehen auch in Deutschland möglich?

Die Pandemie hat in kürzester Zeit die globale Arbeitswelt revolutioniert – Homeoffice und Remote Work gehören bei vielen Unternehmen inzwischen zum Standard. Beschäftigte auf dem ganzen Erdball fühlen sich durch diese moderne Art der Arbeit nicht nur besser vor dem Virus geschützt, sondern genießen auch weitere Vorteile ihrer neuen Arbeitsweise. Kein zeit- und geldraubender Arbeitsweg mehr, ein Plus an Freiheit mit Blick auf arbeitgeberseitige Kontrollen und reichlich Ruhe für wichtige Projekte sind einige davon. Kurzum, die Flexibilität der Tagesgestaltung nimmt zu und das hilft auch bei der Erledigung privater Verpflichtungen. Und außerdem: wer genießt es nicht, am Morgen ganz entspannt und begleitet von sanfter Musik den PC hochzufahren und womöglich noch in Jogginghose und Schlappen sein Tagewerk zu beginnen?

Die Arbeit aus dem heimischen Büro hat allerdings auch Schattenseiten; Kontaktarmut, mangelnde Trennung von Job und Privatleben und die Gefahr schwindender Disziplin gehören dazu.

Doch nun droht echtes Ungemach für „Homeworker“, zumindest in den USA. Die Giganten Google, Facebook und Twitter haben ihren Beschäftigten im Homeoffice teilweise empfindlich den Lohn gekürzt. Andere US-Konzerne haben ebenfalls ortsabhängige Lohnmodelle eingeführt. Wie ist das möglich?

Ortsabhängiges Lohnmodell

Der Ausbruch von Corona veranlasste auch das mächtige Tech-Unternehmen Google im vergangenen Jahr zu einer starken Umstellung der Arbeitsorganisation, die Konzernspitze reagierte rasch und schickte alle Beschäftigten ins Homeoffice. Inzwischen hat sich die Lage verändert, viele Mitarbeiter verrichten ihren Job wieder in den Räumen von Google. Doch etliche andere sind zum Arbeiten bis heute zuhause geblieben – und das hat jetzt Folgen. Google wendet nämlich inzwischen ein in den USA zulässiges ortsabhängiges Lohnmodell an, das im Ergebnis vielen Beschäftigten im Homeoffice einen Teil ihres Gehalts kostet. Doch ist Google damit in den Vereinigten Staaten nicht allein, auch andere Giganten wie Facebook und Twitter gehen vergleichbar vor. Was hat es mit diesem Lohnmodell auf sich? Wollen Unternehmen wie Google die Arbeit im Homeoffice sanktionieren und die Mitarbeiter wieder zurück in die Räume des Unternehmens zwingen?

Die Situation in den USA

In den USA ist es üblich, Gehälter mit einer Art Standort-Zuschlag zu versehen. Auch Google hat die Gehälter der Beschäftigten derart kalkuliert. Es ist ausgesprochen kostspielig, in der Umgebung des Hauptsitzes von Google zu leben und zu arbeiten. Die Preise für Immobilien und Mieten sind hoch und auch Freizeitaktivitäten haben einen höheren Preis als anderswo. Also hat Google diese Standortnachteile in die Gehälter eingerechnet.

Wenn Beschäftigte nun durch dauerhaftes Homeoffice ihren Wohnort in andere Teile der USA verlagern, so ersparen sie sich in vielen Fällen eine Menge Geld – zum Beispiel für Wohnen und Pendeln. Die Lebenshaltungskosten sinken und der Anspruch auf die standortbezogenen Bestandteile des Gehaltes ist faktisch verwirkt.

Unternehmen wie Google wollen folglich niemanden abstrafen, sondern eher eine tatsächliche Gehaltsgerechtigkeit herstellen – immerhin wohnt ein Teil der Google-Mitarbeiter weiterhin im teuren Umfeld des Konzernsitzes und verrichtet die Arbeit direkt im Betrieb.

Hinzu kommt allerdings auch betriebswirtschaftliches Kalkül, denn natürlich sparen geringere Gehälter für einen Teil der Belegschaft Kosten ein. Zudem stellte auch Google negative Auswirkungen des massenhaften Homeworkings fest, die Produktivität ist in den vergangenen Monaten messbar gesunken. Der Nebeneffekt einer steigenden Zahl an Rückkehrern ins Firmengelände dürfte also nicht unwillkommen sein.

Zur Wahrheit gehört ferner, dass die Abschläge nicht in jedem Fall tatsächlich Abschläge sind. Sie sind nach Wohnorten gestaffelt und stehen in Zusammenhang mit den lokalen Kosten der Lebenshaltung. Manche Orte sind „günstig“ und wer von dort aus für Google arbeitet, kann bis zu einem Viertel seines Gehaltes verlieren. Wer hingegen zum Beispiel im teuren New York lebt, erhält von Google dasselbe Gehalt wie zuvor.

Gehaltskürzung wegen Homeoffice in Deutschland?

Wie sieht es in unserem Land in Sachen Gehaltskürzung bei Homeoffice aus? Gibt es auch in Deutschland wohnortabhängige Lohnmodelle?

Vorneweg: Es gibt sie nicht in der für die USA beschriebenen Form. Aber auch die Bundesrepublik kennt Gehaltsunterschiede, die in Zusammenhang mit dem Wohn- und Arbeitsort stehen. Die Besoldung von Beamten berücksichtigt diese Faktoren bereits seit vielen Jahren, um Beamte in teuren Städten wie München oder Stuttgart nicht zu benachteiligen. Diese Praxis wurde gerichtlich überprüft und als rechtskonform beurteilt. Ähnliche Vereinbarungen kennen wir auch aus vielen Tarifverträgen. Ferner zahlen Arbeitgeber in kostspieligen Ballungszentren in der Regel höhere Gehälter, um die entsprechenden Standortnachteile mit Geld auszugleichen. Das ist kein Wunder, denn ansonsten blieben in den deutschen Agglomerationen viele Arbeitsplätze unbesetzt.

Der Einbau des Ortsfaktors in das Gehalt ist in Deutschland mithin nicht unbekannt – und er ist grundsätzlich auch arbeitsrechtlich erlaubt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schreibt zwar eine Gleichbehandlung vergleichbarer Beschäftigter durch den Arbeitgeber vor, doch ist der Wohnsitz in diesem Gesetz nicht als Diskriminierungskriterium aufgeführt.

Die Situation in Deutschland

Eine Kürzung des Entgelts aufgrund dauerhafter Tätigkeit aus dem Homeoffice ist bei bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen ohne explizite Zustimmung des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht möglich, noch nicht einmal über eine Änderungskündigung. Einzige Ausnahme ist der sehr unwahrscheinliche Fall, dass genau dies arbeitsvertraglich tatsächlich bereits geregelt ist.

Anders sieht es hingegen bei Neueinstellungen aus. Der Arbeitgeber kann eine niedrigere Vergütung bei weit überwiegender oder ausschließlicher Tätigkeit aus dem Homeoffice im Arbeitsvertrag verankern und dies mit niedrigeren Lebenshaltungskosten und ersparten Ausgaben für das Pendeln zum Arbeitsplatz begründen. Doch hat die Sache zwei Haken: er muss erstens Kandidaten finden, die sich auf einen solchen Arbeitsvertrag einlassen, was in Zeiten eklatanten Fachkräftemangels in vielen Branchen ausgesprochen schwierig sein dürfte. Zweitens ist eine solche Anpassung des Gehaltssystems zumindest in Unternehmen mit Betriebsrat mitbestimmungspflichtig.

Es bleibt festzuhalten: Ortsabhängige Vergütungsmodell sind auch in Deutschland prinzipiell erlaubt und bedeuten keinen Verstoß gegen das AGG. Eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung darf also geschlossen werden, sofern beide Seiten den Vertrag unterschreiben und der Betriebsrat gegebenenfalls einbezogen wurde. Außerdem gibt es auch in unserem Land bereits Unternehmen, in deren Gehaltsstruktur bereits eine Komponente „Arbeitsort“ einbezogen ist – das bekannteste Beispiel ist SAP. Der Konzern berücksichtigt bei der Vergütung seiner Mitarbeiter die unterschiedlichen Lebenshaltungskosen an den verschiedenen Standorten in Deutschland.

Diskussionen in der Schweiz

In unserem beschaulichen Nachbarland Schweiz spielt das Thema Homeoffice in Bezug zum Lohn ebenfalls eine Rolle, wenn auch eine andere. Im Gegensatz zu den USA werden nicht die bestehenden Gehälter gekürzt. Viele Unternehmen in der Schweiz locken ihre Beschäftigten vielmehr mit Sonderzahlungen oder vorzeitigen Gehaltssteigerungen in ihre Offices. Diese Strategie hat vor allem mit den Faktoren Produktivität, Motivation und Kommunikation zu tun – alles ist bei regelmäßiger Anwesenheit der Beschäftigten an den Firmensitzen nach verbreiteter Auffassung deutlich besser möglich als bei dezentraler Arbeit aus dem Homeoffice. Wer also lieber vom heimischen Büro aus tätig ist, muss mittelfristig mit weniger Geld rechnen – und langfristig mit einem Karriereknick.

Bedeutung von Homeoffice und standortabhängige Gehaltsmodelle

Die durch Corona stark gestiegene Bedeutung des Homeoffice wird auch nach der Pandemie bleiben – und die Diskussion über standortabhängige Gehaltsmodelle wird hierzulande wachsen. Doch muss diese Debatte ehrlich geführt werden, denn bei genauem Hinsehen liefert verbreitetes Homeoffice auch für die Unternehmen einige Vorteile – man denke an den Wegfall kostspieliger Büroflächen.

Stand- oder wohnortabhängige Vergütungsstrukturen dürften in einer zunehmend von mobiler und flexibler Arbeit bestimmten Wirtschaft einiges an Gegenwind erfahren, denn gute Kräfte wird man auf einem in vielen Bereichen stark angespannten Arbeitsmarkt mit solchen Vorschlägen kaum gewinnen – das Zauberwort heißt Employer Branding. Wer etwas kann und gerne von zuhause arbeiten möchte, der wird sich jenen Arbeitgebern zuwenden, welche das Homeoffice nicht mit Abschlägen vom Gehalt bestrafen.

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