Viele Studien beschäftigen sich mit der durchschnittlichen Time to Hire, der Zeit bis zur erfolgreichen Besetzung einer Stelle. Auch wenn die Zahlen an sich abweichen, ist der Trend eindeutig: Die Time to Hire steigt. Und zwar kontinuierlich. Aber nur die wenigsten Unternehmen können es sich leisten, sechs Monate oder länger auf den passenden Kandidaten zu warten.
Time to Hire > 6 Monate: keine Seltenheit
So weist etwa die Fachkräfte-Engpass-Analyse, die die Bundesagentur für Arbeit 2020 durchführte, eine durchschnittliche Dauer von 135 Tagen für die erfolgreiche Besetzung aus. Noch schlimmer sieht es bei Führungskräften und Spezialisten in bestimmten Mangelberufen aus, etwa bei IT-Experten. Mindestens jedes zweite Unternehmen benötigt laut einer XING-Studie für eine Stellenbesetzung im Management drei bis sechs Monate. Jedes zehnte Unternehmen rechnet mit bis zu neun Monaten. Bei einem kleineren Prozentsatz dauert die Stellenbesetzung sogar bis zu einem Jahr oder länger.
Damit einher gehen hohe Kosten. Während diese bei der Einstellung von Fachkräften mit wenigen Tausend Euro häufig noch im Rahmen bleiben, sieht dies bei Führungskräften ganz anders aus. Wo Personalberatungen und Headhunter eingeschaltet werden oder sehr viele Recruiting-Maßnahmen erforderlich sind, um geeignete Kandidaten zu finden, ist mit Kosten von 20.000 bis 50.000 Euro zu rechnen – in 29 Prozent der an der XING-Studie teilnehmenden Unternehmen ist dies üblich. Ebenfalls etwas mehr als ein Viertel kommt auf 10.000 bis 20.000 Euro Kosten pro gewonnener Führungskraft. Knapp ein Viertel kalkuliert mit 5.000 bis 10.000 Euro.
Ursachen für eine zu lange Time to Hire
Die Gründe für eine zu lange Besetzungsdauer von Stellen können vielfältig sein:
- Fachkräftemangel: In vielen Branchen und Berufszweigen ist qualifiziertes Personal schwierig zu finden. Die Bitkom-Studie zum Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte ergab 2021 stolze 96.000 offene IT-Stellen in Deutschland. Der Arbeitsmarkt hat nur wenig Spielraum.
- Gehaltswünsche: Kandidaten in Mangelberufen können es sich leisten, eine höhere Gehaltsforderung in den Raum zu stellen – schließlich sind sie sehr gefragt. Dies führt aber dazu, dass einige Arbeitgeber sich die Anstellung im Rahmen ihres Gehaltsgefüges nicht leisten können, wenn sie keinen Unmut unter den Kollegen fördern wollen.
- Interne Ressourcen: Mangelt es im Recruiting an den erforderlichen Ressourcen für die zeitnahe Durchführung von Bewerbungsgesprächen oder scheitert es zeitlich bereits an der Auswahl geeigneter Kandidaten, verlängert sich die Time to Hire deutlich.
- Software: Werden die Bewerber noch manuell mit Excel-Listen verwaltet, Bewerbungen händisch ausgewertet und ist die interne Abstimmung mangels Software aufwendig, verlängert dies die Besetzungszeit ebenfalls deutlich.
- Umfangreicher Prozess: Besteht das Prozedere aus zahlreichen Einzelschritten (z. B. mehrere Vorstellungsgespräche, Bearbeitung von Fallbeispielen, Kennenlernen der Abteilung, Probearbeitstag), kann dies den Einstellungsprozess aufblähen und zeitaufwendig gestalten.
- Zu viele Beteiligte: Oft wollen gleich mehrere Personen des Managements zusätzlich zum Recruiter und der Fachabteilung die Bewerber kennenlernen. Dies gestaltet die Terminfindung für Vorstellungsgespräche schwierig, da immer jemand keine Zeit hat. Oder Gespräche werden verschoben, weil dann doch ein „wichtigerer“ Termin dazwischenkommt.
- Zu wenig Informationen: Um Stellen in technischen Berufen besetzen zu können, benötigt der Recruiter viele Informationen von der Fachabteilung. Werden diese nicht rechtzeitig geliefert, führt dies zu Verzögerungen.
Time to Hire verkürzen in sechs Schritten
Da eine lange Besetzungsdauer nicht nur intern schwierig zu händeln ist – irgendjemand muss den Ausfall ausgleichen –, sondern auch hohe Kosten verursacht, ist die Verkürzung der Time to Hire sehr wichtig. Externe Faktoren wie etwa der Fachkräftemangel lassen sich kaum beeinflussen. Dafür gibt es intern umso mehr Ansatzpunkte. Eine Verkürzung der Time to Hire erreicht HR je nach individuellen Ursachen über folgende Schritte:
Schritt #1: Bewerbungsprozess straffen
Noch eine Feedbackrunde, ein weiteres Kennenlerngespräch und noch eine Fallstudie? Garantien gibt es bei der Einstellung von Personal ohnehin nicht. Deshalb sollte der Bewerbungsprozess gestrafft und auf unnötige Termine verzichtet werden. Die Recruiter mögen bedenken, dass sich die meisten Bewerber bei mehreren Arbeitgebern vorstellen und noch mehr Termine zu absolvieren haben.
Schritt #2: Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen
Der Einsatz professioneller Bewerbermanagement-Tools ermöglicht dem Recruiter, sich auf die wesentlichen Bausteine des Bewerbungsprozesses zu konzentrieren. Diese Tools automatisieren die gesamte Kommunikation mit den Kandidaten, erlauben das automatische Auslesen und Auswerten von Lebensläufen (CV-Parsing) sowie den Abgleich von Anforderungen und Lebensläufen (Matching) und bietet Schnittstellen zu gängigen Stellenportalen.
Wer noch weitergehen möchte, kann auch die weiteren Schritte per künstlicher Intelligenz (KI) automatisieren, etwa durch die Kommunikation per Chatbot oder die Unterstützung mit hilfreichen Informationen im Videointerview.
Schritt #3: KPIs im Blick behalten
Um die Time to Hire überhaupt beeinflussen zu können, sollte HR die wichtigsten Recruiting-Kennzahlen immer im Blick behalten und negative Abweichungen analysieren. Neben der Time to Hire gehören dazu unter anderem die Time to Interview, die Quality of Hire und die Candidate-Satisfaction.
Schritt #4: Schnell sein
Es gibt viele Möglichkeiten, um die Time to Hire schlichtweg über die eigene Schnelligkeit zu steuern. So lässt sich der Erstkontakt zu den Bewerbern in vielen Berufen per Chatbot zeitsparend erledigen. Dank Einsatz effizienter Softwaretools muss nicht viel Zeit vergehen, ehe das erste Vorstellungsgespräch stattfindet.
Schritt #5: Karriereseite verbessern
Arbeitgeber sollten auf komplizierte Fragebögen verzichten und den Kandidaten eine möglichst einfache Bewerbung ermöglichen. Dies kann über ein einfaches Formular zum Hochladen des Lebenslaufs erfolgen, ebenso mittels einer One-Click-Bewerbung oder einer App. Entscheidend ist die Verringerung der Barrieren für eine Bewerbung. Je mehr Pflichtfelder vorhanden sind, desto negativer wirkt sich dies auf die Time to Hire aus.
Schritt #6: Selbst aktiv werden
Statt darauf zu warten, dass sich Bewerber von sich aus melden, sollten Arbeitgeber selbst aktiv werden und geeignete Kandidaten ansprechen. Dabei ist es eine große Unterstützung, wenn der Recruiter einen Talentpool anlegt, aus dem er schöpfen kann, oder über ein großes Netzwerk verfügt. Auch Methoden wie Active Sourcing können den Prozess beschleunigen.
Fahrplan für Veränderungen
Um die Time to Hire zu verkürzen, müssen bestehende Prozesse hinterfragt werden. Nur so lassen sich die größten Zeitfresser identifizieren, die zu einer verlängerten Dauer bis zur Stellenbesetzung führen. Erst dann lässt sich ein Fahrplan mit möglichen Maßnahmen definieren. Dieser sollte im Rahmen regelmäßiger Meetings besprochen und immer wieder nachjustiert werden, wenn erste Erfahrungswerte vorliegen.
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